75 Jahre Forschung und Prüfung in der Agrartechnik Wieselburg

Seit 75 Jahren arbeitet die Forschungs- und Prüfeinrichtung für Agrartechnik am Francisco Josephinum (BLT) für eine erfolgreiche, zukunftsorientierte Landwirtschaft. Gefeiert wurde dieses Jubiläum am 7. Juni 2022 im Schloss Weinzierl, Wieselburg, mit einer Festveranstaltung im Beisein zahlreicher Gratulanten und Ehrengäste.

Nach der Begrüßung durch Direktor Alois Rosenberger gab der Leiter der Forschungseinrichtung Heinrich Prankl einen Überblick über die Entwicklung der Forschungseinrichtung und bedankte sich für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit bei allen Unternehmen und Projektpartnern. Die ehemalige Bundesversuchs- und Prüfungsanstalt für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte wurde 1947 in Wieselburg mit dem Zielt gegründet, die technische Entwicklung in der Landwirtschaft voranzutreiben. Dabei stand die Prüfung von Traktoren, Maschinen und Geräten im Fokus der Aktivitäten. Die BLT (ehemals Bundesanstalt für Landtechnik), wie sie jetzt noch immer genannt wird, hat den Sprung von einer Prüfanstalt für Landmaschinen ins neue Zeitalter zu einer ausgezeichnet vernetzten und international anerkannten Forschungseinrichtung für Digital Farming geschafft. Gemeinsam mit der im Jahr 2010 gegründeten teilrechtsfähigen Forschungseinrichtung Josephinum Research werden Technologien des Precision Farmings, der Künstlichen Intelligenz bis hin zur Robotik bearbeitet. Zur Untersuchung neuer Entwicklungen im Bereich Bodenbearbeitung, Düngung, Pflanzenschutz oder Grünlandtechnik steht modernste Messtechnik und Kompetenz zur Verfügung. Damit können aktuelle Fragestellungen der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz effizient bearbeitet werden. 2020 wurde gemeinsam mit über 20 Projektpartnern die Innovation Farm gegründet, wo an drei Standorten (Wieselburg, Bildungszentrum Mold und Raumberg-Gumpenstein) neue Entwicklungen insbesondere der Digitalisierung untersucht und demonstriert werden. Die Innovation Farm trägt wesentlich dazu bei, das Wissen um neue Entwicklungen dorthin zu bringen, wo es benötigt wird, nämlich zum landwirtschaftlichen Betrieb. 


Der Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft Hubertus Paetow unterstrich in seiner Festrede die großen Herausforderungen für die Landwirtschaft. Er wies darauf hin, dass digitale Technologien einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern müssen. Eine hochkarätige Podiumsdiskussion wurde vom Geschäftsführer der Firma Pöttinger Markus Baldinger eingeleitet. Die Industrie müsse die richtigen Produkte entwickeln und sei auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen angewiesen. Die neue Rektorin der Universität für Bodenkultur Eva Schulev-Steindl wies auf die unterschiedlichen Rollen der grundlagenorientierten universitären Forschung und der anwendungsorientierten Ressortforschung hin, betonte aber die wechselseitigen Synergien. Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf, hat ja selbst eine landtechnische Ausbildung am Francisco Josephinum genossen. Er hat viele Erinnerungen an die Zeit, da sein Vater selbst Mitarbeiter war. Er unterstrich die wertvolle Forschungsarbeit der Einrichtung und betonte zwei Aspekte: immer den Nutzen der Digitalisierung herausarbeiten und auch auf die Cybersicherheit achtgeben.


Der neue Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband Florian Tursky nahm die Gelegenheit zum Besuch der für Digitalisierung in der Landwirtschaft spezialisierten Forschungseinrichtung wahr. Er sei sich durchaus bewusst, wie wichtig eine leistungsfähige Internetversorgung und -anbindung auch im ländlichen Gebiet sei. Ziel ist daher Österreich bis 2030 mit festen und mobilen Gigabitanschlüssen zu versorgen. Der neue Bundesminister für Landwirtschaft Norbert Totschnig gratulierte zum 75-jährigen Bestehen und zeigte sich äußerst erfreut über erfolgreiche Vorzeigeprojekte, wie die Innovation Farm. Diese trägt nicht nur zur Wissensverbreitung bei, sondern demonstriert auch die Innovationskraft der Landwirtschaft. Beim Aufbau digitaler Kompetenzen in der Landwirtschaft und beim bestmöglichen Einsatz neuer Technologien in der Praxis komme der BLT eine wichtige Rolle zu, so Totschnig. „Wir werden die Digitalisierung in der Landwirtschaft weiter unterstützen. Wesentliche Instrumente dazu sind die neue GAP, aber vor allem auch Bildung und Forschung.“


Die Veranstaltung wurde exzellent moderiert von Christina Meister-Sedlinger. Die 75-Jahr-Feier war gleichzeitig auch die Auftaktveranstaltung der Innovation Farm DAYS, die während der ganzen Woche bei Josephinum Research/BLT in Wieselburg stattfanden.

 

Hintergrundinformation zur geschichtlichen Entwicklung:

Die ehemalige Bundesversuchs- und Prüfungsanstalt für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte wurde 1947 in Wieselburg mit dem Zielt gegründet, die technische Entwicklung in der Landwirtschaft voranzutreiben. Dabei stand die Prüfung von Traktoren, Maschinen und Geräten im Fokus der Aktivitäten. Die Testbedingungen orientierten sich immer an den Anforderungen aus der Praxis. In oft spektakulären Versuchsreihen wurden empirische Daten ermittelt, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Wesentlich war auch der Bildungsauftrag. 1956 wurde die Abteilung „Landtechnik“ an der Höheren Bundeslehranstalt Francisco Josephinum gegründet. Seitdem wird Wissen über Agrartechnik in die Ausbildung eingebracht.
Forschung zu Energie und Umwelt war seit jeher ein zentrales Anliegen. Ab der Erdölkrise 1973 begann die Suche nach Ersatztreibstoffen für die Landwirtschaft. Die Entwicklung von Biodiesel nahm in Wieselburg seinen Ausgang und hat eine weltweite Dimension erreicht. Über die Nutzung von Biomasse ist umfangreiches Wissen verfügbar. Bereits in den 70er Jahren wurde mit der Prüfung von Stroh- und Holzfeuerungen begonnen. Die Prüfungsanstalt hat wesentlich zur Entwicklung und zum erstklassigen Ruf der österreichischen Hersteller von Biomassefeuerungen beigetragen. Bis heute werden Biomassefeuerungen als akkreditierte Prüfstelle geprüft.


1982 wurde die Prüfungsanstalt in Bundesanstalt für Landtechnik umbenannt. Es begann eine intensive Zeit der internationalen Vernetzung und Beteiligung in europäischen Forschungsprogrammen. Die Mitarbeit in vielen Normungs- und Arbeitskreisen verschaffte der Institution einen hervorragenden Ruf und internationale Sichtbarkeit.


Im Jahr 2005 erfolgte die Zusammenlegung zur Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt Francisco Josephinum. Durch die Einbindung von Schülerinnen und Schüler in praxisnahe Untersuchungen wird nicht nur topaktuelles Wissen vermittelt, sondern vielmehr auch der Forschergeist geweckt. Dem Ruf nach einer höheren Qualifikation Zusammen wurde mit der Gründung des Bachelorstudiengangs „Agrartechnologie und Digital Farming“ der Fachhochschule Wiener Neustadt im Jahr 2018 Rechnung getragen. Seit 2015 wird außerdem ein Masterstudiengang „Agrar- und Technologiemanagement“ in Zusammenarbeit mit der Zukunftsakademie Mostviertel und der FH St. Pölten angeboten.


Die BLT ist eine topmoderne Prüfstelle und für etwa 50 Verfahren nach ISO 17025 akkreditiert. Im Bereich der erneuerbaren Energien steht ein Prüfstand für Biomassefeuerungen und ein gut ausgestattetes chemisch-physikalisches Labor zur Verfügung. In der Agrartechnik werden vielfältige Tests angeboten: Fahrerschutzrahmen werden beispielsweise am Prüfstand für „roll over protection structure“ getestet, Traktoren werden am Motorprüfstand geprüft. Die BLT stellt als OECD-Prüfstelle international gültige Testberichte aus. Erfahrung und Kompetenz sind Grundlage für verfahrenstechnische Untersuchungen im praktischen Einsatz. Die Forschungsthemen orientieren an aktuellen Themen zur Optimierung landwirtschaftlicher Verfahren: der Einsatz von Robotern, die Verringerung des Energie- und Ressourcenbedarfs zählen genauso dazu wie die Untersuchung der Umweltauswirkungen oder die Verwendungsmöglichkeiten biogener Rohstoffe.


2010 wurde Josephinum Research gegründet, eine teilrechtsfähige Forschungseinrichtung, die auf innovative Technologien spezialisiert ist. Digital Farming, Precision Farming, Mechatronik, Robotik und Computer Vision stehen dabei im Fokus. Methoden der Künstlichen Intelligenz wie Machine Learning eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Die Gründung der Innovation Farm im Jahr 2020 eröffnete neue Möglichkeiten, um innovative Technologien zu untersuchen und zu demonstrieren. Gemeinsam mit über 20 Partnern werden an 3 Standorten neue Entwicklungen praxisnahe getestet und vorgeführt. Für wissenschaftliche Untersuchungen in der Sätechnik, Düngung oder im Pflanzenschutz steht ein leistungsfähiges Feldversuchswesen zur Verfügung. Mit Hilfe neuer Untersuchungsmethoden, wie Kamerasysteme, Auswertung von Satellitendaten oder Drohnen können wissenschaftlichen Fragestellungen effizient bearbeitet werden.


Die ca. 60 Forscherinnen und Forscher blickten optimistisch in die Zukunft. Die Mission der Institution ist Prüfung, Forschung und Entwicklung von innovativen Technologien, um die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen! 
 

Veröffentlicht am 09.06.2022